Pflegeinitiative Jena
Pflegeinitiative Jena - Der „Jenaer Weg" zur Reduzierung freiheitsentziehender Maßnahmen in der stationären Pflege
In der beruflichen Altenpflege werden freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) in erster Linie angewandt, um einen pflegebedürftigen Menschen vor Selbstgefährdung zu schützen. Jede freiheitsentziehende Maßnahme muss vom Betreuungsgericht genehmigt werden; anderenfalls ist sie strafbar. Mit dem Ziel der Reduzierung freiheitsentziehender Maßnahmen beschäftigt sich der gleichnamige, im Jahr 2012 gegründete Jenaer Arbeitskreis.
Der Jenaer Weg war einmalig in Deutschland: Er hatte als wichtigstes Merkmal eine kostenlose Schulungsreihe für Pflegende, die in den Einrichtungen, also am Arbeitsplatz durchgeführt wurde.
Besondere Merkmale des Jenaer Weges (seit 2012)
- Interdisziplinärer Arbeitskreis unter Leitung des Fachdienstes Soziales der Stadtverwaltung, wo auch die Betreuungsbehörde angebunden ist, trifft sich regelmäßig 2-3 mal pro Jahr.
- Gründung einer Schulungsreihe für Pflegepersonal in der stationären Altenpflege; Finanzierung durch die Stadt Jena, Fachdienst Soziales
- Die einzelnen Module finden in den teilnehmenden Einrichtungen statt; so dass die Leitungsmitarbeiter gemeinsam mit dem Pflegepersonal geschult werden können.
- aktive Teilnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) und Heimaufsicht an den Schulungen
- jährlich wiederkehrende flexible Angebote, Gesprächsrunden, individuelle Beratungen, auch für Betreuer
Ziel
Aus Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes: "Die Würde des Menschen ist unantastbar und die Freiheit der Person ist unverletzlich", leitet sich das Ziel unserer Initiative ab, Freiheitsentziehung in Wohn- und Pflegeeinrichtungen von Jena zu reduzieren.
Was sind freiheitsentziehende Maßnahmen?
Körpernahe FEM nehmen Einfluß auf die direkte Bewegungsfreiheit. Dazu zählen zum Beispiel Fixiergurte, beidseitig hochgezogene Bettseitenteile, feste Stecktische am Stuhl oder Rollstuhl. Körperferne FEM wirken indirekt auf die Bewegungsfreiheit einer Person. Die Wegnahme von Hilfsmitteln zur Fortbewegung, das Abschließen von Zimmern oder Wohnbereichen, Trickschlösser oder auch Psychopharmaka können indirekte FEM darstellen.
Der Wille sowie die persönliche Anhörung des Menschen stehen im Mittelpunkt beim Umgang mit FEM. Eingriffe in Grundrechte dürfen nur nach genauer Prüfung jedes Sachverhalts erfolgen. Erforderlichkeit und Umfang von FEM sind diesen Grundsätzen unterzuordnen.
Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen
Wir möchten hier einige Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen vorstellen. Die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bei der Suche nach geeigneten Möglichkeiten, einem alten und/oder pflegebedürftigen Menschen nicht den natürlichen Bewegungsrahmen einzuschränken, sind dem pflegerischen Einfallsreichtum keine Grenzen gesetzt.
Mehr Lebensqualität
Ziel ist es, dem betreffenden Menschen mehr Lebensqualität zu verschaffen und ihm die Teilhabe am Leben so optimal wie möglich zu gestalten. Der körperliche und geistige Alterungsprozess verringert sich eventuell sogar.
Technische Hilfsmittel
Mit dem Einsatz von alternativen technischen Hilfsmitteln, Induktionssendern und Ortungssystemen oder dem Ergreifen von Maßnahmen der speziellen Raum- und Umgebungsgestaltung soll eine Freiheitsentziehung zum Schutz des Betroffenen vermieden werden. Dennoch sind die Maßnahmen stets individuell zu betrachten und können gegebenenfalls beim Betreuungsgericht genehmigungspflichtig sein.
Pflegehilfsmittel exemplarisch vorgestellt
Anhand einiger Fotos von Pflegehilfsmitteln werden beispielhaft in der Broschüre des Sanitätshauses „Alippi“ einige technische Hilfsmittel aufgezeigt. Informationen zu verschiedensten Desorientiertensystemen und anderen Produkten wie z. B. Kugeldecken, mit denen unter anderem auch aggressivem Verhalten entgegen gewirkt werden kann, sind im Internet zu finden.